Geodätisches Institut Hannover Forschung
Sicherung neugotischer Gewölbekonstruktionen

Sicherung neugotischer Gewölbekonstruktionen

Leitung:  Hans Neuner, Ingo Neumann
Team:  Claudius Schmitt
Jahr:  2011
Förderung:  Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Ev.-luth. Landeskirche
Laufzeit:  05/2011 - 09/2014
Ist abgeschlossen:  ja

Abbildung: 3D Punktwolke des Innenraums der Christuskirche in Hildesheim

Projektbeschreibung

Von Mitte des 19. Jhd.'s bis zu Beginn des 1. Weltkrieges herrschte in Deutschland ein Geburtenüberschuss von 450.000 (1870) bis 1.008.000 (1913). Infolgedessen stand eine große Anzahl von Arbeitskräften zur Verfügung, die für eine wirtschaftliche Prosperität sorgte. Zuvor wurde vorwiegend in Manufakturen produziert, so dass die Transport- und Materialkosten einen Großteil der Gesamtherstellungskosten bildeten. Dies galt in ähnlicher Form auch für das Baugewerbe. In den Gründerjahren hingegen setzten sich die Baukosten  mit zunehmender Industrialisierung in erster Linie aus den Materialkosten und den geringeren Transportkosten zusammen.

Daher wurden die Bauwerke aus Kostengründen mit hohem Personaleinsatz und einem Minimum an möglichst leichtem Material hergestellt, um auch die Transportkosten gering zu gestalten. Die Grundzüge der gotischen Bauweise wurden weiter verfolgt: die Geometrie der Gotik wurde weitgehend übernommen und das in der Gotik vorherrschende Tragsystem von Gurt- und Gratbögen als stützende Druckglieder der Gewölbekappen beibehalten.

Die Materialdicke hingegen wurde massiv verringert und erreichte ein Minimalmaß für die Konstruktionsglieder. In der Neugotik wurden die gotischen Bauelemente mit den Erfordernissen der Materialeinsparung der Gründerzeit vereint. Daraus resultierend entstanden mit den leichten und sehr dünnwandigen Gewölben z. T. recht anfällige Tragsysteme mit systemimmanenten signifikanten Schäden. Die derart gestalteten Bauten sind geografisch von Lettland bis Frankreich verteilt. Die Sanierungen der vielfältigen Schäden waren bisher nicht nachhaltig. Schon nach 15-20 Jahren traten die Schäden erneut auf.

Diese Probleme von neugotischen Gewölbekonstruktionen sollen in diesem Projekt mit kultur-bautechnischem Bezug analysiert werden. Hierzu sollen ca. 20 neugotische Kirchen in Niedersachsen in Augenschein genommen, kategorisiert und einige ausgewählte detailliert analysiert werden. An einer Kirche mit signifikanten Schadensmerkmalen sind intensive Untersuchungen des eingesetzten Materials, der statischen Tragwirkung und der Beanspruchbarkeit der Konstruktion sowohl numerisch als auch experimentell geplant. Dafür soll die Geometrie sehr genau mit einem 3D-Laserscan erfasst werden. Das somit vorliegende dreidimensionale (3D) Geometriemodell soll in ein 3D-Rechenmodell unter Berücksichtigung der vorhandenen Materialstärken und -festigkeiten übernommen werden, so dass die Beanspruchungsmaxima in der Gesamtkonstruktion ermittelt werden können. Punktuelle Belastungsversuche sollen Aufschluss über die Übereinstimmung des Rechenmodells mit dem tatsächlichen Tragverhalten der neugotischen Gewölbekonstruktion geben. Mit diesen Versuchen wird das 3D-Rechenmodell kalibriert. Das somit vorliegende Rechenmodell kann anschließend für Variantenuntersuchungen von Verstärkungs- und Instandsetzungsmaßnahmen genutzt werden.

Die Gesamtausrichtung des Projektes bedingt eine institutionen- und fachübergreifende Zusammenarbeit der beteiligten Kooperationspartner unter intensiver Einbindung des Wissenschaftlichen Beirats. Eine ergebnisorientierte Bearbeitung wird nur unter Einbindung aller Projektpartner mit entsprechendem Zeit- und Personaleinsatz möglich, so dass die beantragte Förderungsdauer und die Förderungsmittel den Höchstgrenzen entsprechen.

Dieses Projekt wird gefördert durch das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur innerhalb des Förderprogramm PRO*Niedersachsen und der Ev.-luth. Landeskirche.